Also das hier ist vegan und feministisch. Weil sonst alles scheiße ist.

Mittwoch, 13. Juni 2012

Meeting the Captain

Heute habe ich mich mit einem Teil der Kochen ohne Knochen-Crew auf den Weg nach Frankfurt gemacht, um dort Paul Watson und Peter Hammarsted von Sea Shepherd zu treffen und gemeinsam zu interviewen. (Paul Watson ist vor einigen Wochen in Deutschland festgenommen worden, mehr dazu in diesem Video.) 
Ich muss natürlich zugeben - aufgeregt war ich auf jeden Fall, Sea Shepherd ist eine Organisation, mit der ich mich in vielen (nicht in allen!) Punkten identifizieren kann. Meine Aufregung war insofern unbegründet, als dass die zwei sehr locker und angenehm waren - eine schöne Grundlage für ein gutes Interview. Meine eigentliche Sorge war aber viel mehr, dass es eben doch so den ein oder anderen Punkt gibt, der mir bei Sea Shepherd Bauchschmerzen bereitet - wie die Zusammenarbeit mit Brigitte Bardot, bzw. ihrer Tierschutzorganisation. Diese ist eben nicht nur für ihre Tierliebe bekannt, sondern auch für ihre Nähe zur (extremen) französischen Rechten, dem Front Nationale und für entsprechende Äußerungen (siehe hier). Auch vor dem Interview war ich mir darüber im Klaren, dass es kein Szenario gibt, was diese Zusammenarbeit für mich irgendwie erklärbar/akzeptierbar/entschuldbar macht. Die Frage letztendlich zu stellen hat mich dann doch etwas Mumm gekostet und ich habe auch ehrlich gesagt erst etwas drumherum gedruckst, bis ich zum Punkt kam. Und ja, Paul und ich, wir sind da nicht einer Meinung. 

Ich möchte ungerne vorgreifen, das Interview erscheint ja in voller Länger in der nächsten Kochen ohne Knochen Ausgabe, aber ich würde gerne für mich persönlich festhalten, was gerade so in meinem Kopf herumschwirrt und das ist vor allem eins: Ich bin eine verdammte Heuchlerin! Ich komme auf gar keinen grünen Zweig mit seiner Meinung, ich finde ihn, oder zumindest seine Arbeit trotzdem gut. Ich finde es ist ein Witz, dass er in Deutschland, oder überhaupt verhaftet wurde, verglichen mit dem, was die Fisch/Hai- und Wahlindustrie bzw. -lobby weltweit so anstellt ist das blanker Hohn und ich würde darüber lachen, wäre es nicht so verdammt ernst.
Paul sagt, er kämpft für diesen Planeten und dafür, dass es weiterhin Leben darauf geben kann. Er sagt auch, jeder Unterschied zwischen Menschen, sei gemacht, sei nicht echt und er stimmt mit mir darüber überein, dass eine Seite der Menschen die andere (viel größere) Seite ausbeutet und ihnen dann auch noch verbietet legal in die Länder einzureisen, die sie ausbeuten. Er findet das auch scheiße. Er findet aber - und spätestens jetzt werde ich etwas polemisch und überspitze bewusst  - grundsätzlich alle Menschen scheiße und geht nicht davon aus, dass Menschen, vielmehr die Menschheit irgendwann irgendetwas aus purer Vernunft besser machen wird. Man muss sie zwingen, drängen, Druck machen mit der einzigen Sprache, die sie verstehen: Geld. Tu niemandem weh, töte keinen, aber lasst uns die ökonomischen Strukturen zerstören, so dass sich XYZ nicht mehr rechnet. Das kann ich noch nachvollziehen, sicher bin ich mir da allerdings nicht. Sein Verständnis vom Menschen geht eher in die Richtung, dass die Hierarchien, wie wir sie jetzt haben reiner Zufall sind und alles auch anders hätte laufen können. Schwarze hätten auch Weiße ausbeuten können, Frauen hätten auch über Männer herrschen können. Alle würden es auch jetzt tun, wenn sie denn könnten. Genau so, wie sie auch alle die Erde ausbeuten, die Ökosysteme zerstören und sich einen Dreck um alles Leben scheren, was für diese Welt eigentlich essenzieller ist als der Mensch. Der Mensch als Plage, als Pest, unbelehrbar und gierig. Ich muss sagen, hätte ich ein solches Weltbild, ich würde einfach gar nichts mehr machen. Manchmal finde ich mich selbst etwas zu zynisch und vor allem zu ernst. Würde ich aber so konsequent schlecht von Menschen denken, hätte ich schon überhaupt keine Energie mehr, irgendwas zu tun. Er schon, weil es ihm nicht um Menschen geht, sondern um alle anderen Lebensformen, die unter den Menschen leiden, die will er retten. Daraus speist sich dann auch die Erklärung für seine Zusammenarbeit mit Brigitte Bardot: Er ist mit ihr nicht bei allem einer Meinung, genauer gesagt, teilen sie exakt eine gemeinsame Leidenschaft, aber sie hat seiner Meinung nach schon mehr für die Erhaltung der Erde getan als viele Andere und mehr interessiert ihn gar nicht.
Auch nach dem eigentlichen Interview hat Paul das Gespräch gesucht und wir haben uns noch eine Weile über internationale Zusammenhänge, Herrschaftsverhältnisse usw. unterhalten und er hat versucht, mir näher zu erklären, wieso letztenendes für ihn nur eine Sache zählt, während ich gesagt habe, dass mir eben auch Menschen wichtig sind und vor allem auch, welche ungleiche Möglichkeiten Menschen als Perspektive für ihr Leben haben und dass ich auch das für gemacht und nicht natürlich halte. 
Paul Watson ist ein Mann, der es gewohnt ist, dass Menschen ihm zuhören. Er weiß sehr viel, ist erfahren und belesen, zitiert Margarete Mead, Gandhi und Martin Luther King und vergleicht seine Methoden mit den ihren. Gößenwahn? Ja, vermutlich schon. Auf der anderen Seite: Wie viel mehr Wale, Delfine, Haie und andere Meereslebewesen wären ohne Sea Shepherd jetzt tot? 


Für mich heiligt nicht jeder Zweck jedes Mittel. Aus dem Grund sage ich nach wie vor: Ich bin mit ihm in einer für mich sehr wichtigen Sache überhaupt gar nicht einer Meinung. Ein Aber kommt trotzdem: So inkonsequent und heuschlerisch das sein mag, ich finde Sea Shepherd gut und ich möchte ihren Einsatz nicht missen. Ich würde mir wünschen, dass dieser in Zukunft ohne Hilfe aus dem rechten Lager passiert. Mit denen will ich nämlich für überhaupt nichts gemeinsam kämpfen.

von links nach rechts: Tom, ich, Joachim, Paul, Ines, Peter

9 Kommentare:

  1. Schön geschrieben. Allerdings ist mir diese zutiefst menschenfeindliche Grundhaltung bei vielen Veganern begegnet. Zumeist in Foren oder bei Facebook Diskussionen, genau mit dem Grundton "Die Menschheit als Plage des Planeten, die nichts Gutes in sich trägt und nur zerstören kann!". Sowas erschreckt mich dann immer, weil jegliche Möglichkeit per se ausgeschlossen wird, dass Menschen auch aus Fehlern lernen können.

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    1. Ich denke eher, dass ihr das einfach nicht vollkommen erfasst, was er da sagt. Oder eben die anderen "bösen" Veganer, schließlich zählen wir uns doch ebenfalls zu den Menschen, die wir so "verachten". Der Mensch fungiert als Gesamtkonzept als Plage, das ist ein Fakt. Oder völlig wertfrei: wir sind ein Parasit. Hieraus lässt sich eine Verachtung generieren, die in der letzten Instanz eben deswegen als Antrieb herhält, weil der Wirt die höchste Priorität besitzt.
      Wenn man sich selbst verdeutlicht, welche "Funktion" man aus Sicht eines Planeten hat und gleichzeitig seine menschliche Selbstwahrnehmung induziert, ergibt sich genau das, was Paul Watson wahrscheinlich beschrieben hat, was ich in der von euch beschriebenen Abneigung gegen die Menschheit an sich ergründe.
      Verdeutlichen kann man sich das vielleicht anhand körperlicher Zellen, die omnipotent aus einem neutralen Zustand in einen Wertigen wechseln und so im schlimmsten Fall großen Schaden anrichten. Nicht jede Zelle ist schlimm, aber jede besitzt das Potential dazu. Ohne Zellen ist der Schaden gleich null, was statistisch (nun auch auf den Menschen übertragen) niemals möglich wäre, wenn wir hier mit mehreren Milliarden vegetieren.

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    2. Joar, ich weiß jetzt ehrlich gesagt nicht genau, wieso du davon ausgehst dass wir "das einfach nicht vollkommen erfassen", was er sagt. Ich hab es vielleicht nicht so hübsch auf den Punkt, sondern sehr subjektiv und mit Tratra ausgrdückt, aber letzlich läuft es doch auf das selbe hinaus. Auch in Saskias Kommentar seh ich jetzt erst mal nichts, was deiner Argumentation widerspricht.

      Und übrigens, das war nur ein sehr kleiner Teil von dem eigentlichen Gespräch, welches den Gesamteindruck geprägt hat.

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    3. In einer Doku sagte ein Mann mal Folgendes "Der Mensch hat keine natürlichen Fressfeinde mehr, die er nicht bezwingen könnte. Und daher bringt er das Ökosystem, in dem eben jede Spezies einen natürlichen Feind hat, aus dem Gleichgewicht!"

      Da kann man nicht wirklich widersprechen, allerdings frage ich mich, ob ich selbst von mir und meinen Mitmenschen so denken will oder generell von allen Menschen.

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    4. Ich persönlich halte nichts von der Einstellung, eine Sichtweise oder eine Schlussfolgerung nicht zu akzeptieren, nur weil einem das Ergebnis nicht gefällt.
      Natürlich möchte ich die Menschheit auch lieber positiv sehen, aber schaut man sich die Fakten an und kommt zu dem Schluss, dass die Menschen für den Planeten nunmal negativ sind, wieso das dann nicht akzeptieren und trotzdem versuchen dass Gute (was zweifelsohne da ist) auch zu sehen und zufördern. Ich finde nicht, dass sich das ausschließt.

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  2. Guten Abend Dani,

    Danke für die sehr interessante "Vorab Info" :-)

    Ich freu mich schon jetzt auf die neue KoK, und hab auch in der jetzigen Ausgabe deinen Namen und vielen Artikeln entdeckt :-)

    Liebe Grüße aus München,
    die Claudi

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    1. Das freut mich :) Leider kommt die nächste Ausgabe ja erst im September, das finde ich selbst ein bisschen schade, denn bis dahin ist es ja noch etwas ;)

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  3. @Dani:
    Jetzt beneide ich dich etwas. :-) Paul Watson würde ich auch mal gerne treffen.
    Dein Bericht war in jedem Fall schon mal sehr spannend und macht Lust auf mehr.

    @Saskia:
    Den Satz: "Der Mensch hat keine natürlichen Fressfeinde mehr, die er nicht bezwingen könnte. Und daher bringt er das Ökosystem, in dem eben jede Spezies einen natürlichen Feind hat, aus dem Gleichgewicht!" finde ich gar nicht wirklich negativ. Das ist nunmal Tatsache.

    Daraus muss ja nicht zwingend folgen, dass die Lösung ist x% der Menschheit zu töten.
    Für mich ist die Konsequenz, dass der wir lernen müssen, dass wir 1. nicht alles dürfen was wir können(z.B. mit riesigen Maschinen hektarweise Regenwald vernichten) und 2. uns in unserem Konsum beschränken.

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    1. Hab ihn ja auch nicht als negativ beschrieben. Klar ist er, rein biologisch betrachtet, richtig und wahr. Allerdings habe ich persönlich ein Problem damit die Menschen ausschließlich biologisch zu betrachten, weil sie für mich gefühlt einfach mehr sind. Die Konsequenzen, die du beschreibst halte ich allerdings auch für logisch richtig.

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