Also das hier ist vegan und feministisch. Weil sonst alles scheiße ist.

Mittwoch, 4. Juli 2012

Egopost: Jammern, Zweifeln, Tiefstapeln

Gerade Gestern hatte ich auf Twitter eine Unterhaltung mit Melanie und der Faserpiratin. Ausgangspunkt war meine leicht depressive Stimmung, nachdem ich nach potentiellen Praktika etc. gesucht hatte. Fast überall wurde ein recht hoher Grad an "Erfahrung" vorausgesetzt. Ein Grad, von dem ich nicht denke, dass ich ihn habe. Ich habe neben Schule oder Studium fast immer nur gejobbt, nie berufsrelevante praktische Erfahrungen gesammelt: Zeitungen austragen, Nachhilfe geben, Kellnerjob A, Kellnerjob B, Kellnerjob C, Langeweilejob beim WDR.
Melanie hat es ganz gut hinbekommen, mich sowohl aufzumuntern, als auch mir nen Arschtritt zu verpassen. Ich merke nämlich immer wieder, dass ich extrem tief stapele. Ehrlich gesagt glaube ich, dass ich meistens Angst habe, irgendwas nicht besonders gut oder gar nicht hinzubekommen und gehe dann von Vorneherein in eine defensive Haltung. Mein Vater hat in einer zum Glück bereits vergangenen Zeit mal gesagt "Warum soll ich denn optimistisch sein? So kann ich ja nur enttäuscht werden. Wenn ich pessimistisch bin, bin ich auf der sicheren Seite." Ich hoffe, er denkt heute nicht mehr so. Ich habe ihm auch damals gesagt, wie unsinnig ich das finde. Hallo, merk ich noch was? Ich lebe ganz genau so.







Ich schiebe viele Sachen ewig vor mir her, weil ich Angst habe, dass ich scheitere, wenn ich mich intensiv damit auseinandersetze und erledige Dinge (Lernen! Referate!) im allerletzten Moment. Überraschung: Die Ergebnisse sind meist nur Durchschnitt. Aber ich kann ja hinterher sagen "Ach, ich hab mich ja auch nur ein paar Stunden vorher darauf vorbereitet." Fuck it. Wenn mir jemand Komplimente macht, wofür auch immer, ich glaube erst mal nicht, dass das ernst gemeint ist, dass das ja nur Glück war, oder die Person mich nicht einschätzen kann. Die sagen zwar das ist gut - aber eigentlich ist es das überhaupt nicht. Fuck it. Wenn ich meinen Computer oder mein Fahrrad reparieren lasse, tue ich so, als hätte ich gar keine Ahnung. Ich hab wirklich wenig Ahnung, aber ich verhalte mich so, als wüsste ich überhaupt gar nichts. Fuck it. Beim Kochen ohne Knochen Magazin habe  ich zuerst nur gesagt "Egal, ich mach einfach, was du sagst" und irgendwann fragte Joachim mich in Gesprächen immer wieder, ob ich nicht mal darüber, worüber ich gerade geredet habe, schreiben möchte. Ja, wieso komme ich da nicht selber drauf? Teilweise bin ich nicht auf die Idee gekommen, weil ich es mir nicht zugetraut habe und noch schlimmer: weil ich Angst davor hatte, dass er die Idee doof findet. Fuck it. Ich suche nach Praktika und denke "Nein, dazu bin ich nicht gut genug. Mich da zu bewerben ist mir peinlich." Fuck it. Ich bin permanent unsicher, wenn ich Menschen kennenlerne, einen neuen Job anfange, in der Uni sitze. Andere wissen mehr als ich, sehen besser aus als ich, sind lustiger als ich. Fuck it.

Wenn ich so überlege, wann das angefangen hat, dann bin ich nicht so sicher. Als Kind war ich sehr ruhig und schüchtern, aber nicht im Sinne von ängstlich, sondern eher einfach introvertiert und gern allein. Die Pubertät war natürlich sehr prägend, ich habe gelernt mich durchzusetzen und meine erste Freundschaft aufgebaut, die gleichberechtigt war und einen tollen Freund gefunden. (Wunderbarerweise sind die beiden immer noch meine beste Freundin und mein Freund <3) Mein Traumjob war Journalistin, in der Schule war ich gut, aber faul, was Lernen betraf, dafür engagiert, was soziale Themen betraf. Ich war regelmäßig Klassensprecherin, war bei Peers to Peers (so etwas wie eine Anlaufstelle für Schülerinnen von Schüllerinnen für diverse Themen, aber eigentlich haben wir nur für gute Zwecke Kuchen und Limonade verkauft.) und habe mich entsprechend für andere Mädchen eingesetzt.
Das hat sich mit meinem Schulwechsel readikal geändert. Manche sagen, dass liegt daran, dass ich von einer Mädchenschule auf eine "gemischte" Schule gewechselt habe, oder dass meine Eltern sich genau in der Zeit getrennt haben. Ich weiß es nicht so genau, aber ich denke, das waren beides für mich gar nicht so wichtige Faktoren. Ich dachte die ganze Zeit nur "Scheiße, ich bin jetzt auf nem Gymnasium, die sind alle viel schlauer als ich." Waren sie auch, aber das ist ja auch okay. Meine Konsequenz war dann, dass ich meine Klappe gehalten und mich nirgendwo engagiert habe, weil ich Angst hatte, mit meiner Unwissenheit aufzufallen. Und in der Uni hoffte (Vergangenheit!) ich immer, dass Dozent_innen sich weder mein Gesicht, noch meinen Namen merken würden.

Ich finde das furchtbar, aber  ich mache es eigentlich immer noch. Auch heute habe ich noch Wissenslüscken, die mir peinlich sind und wegen derer ich mich aus bestimmten Themen/Aktivitäten etc. heraushalte, weil ich nicht als dumm oder unwissend geoutet werden will, bzw., mich nicht selbst outen möchte.

Auf diesem Blog merkt man davon aus einem bestimmten Grund nichts: Er ist wie mein Wohnzimmer. Hier gelten meine Regeln, ich schreibe worauf ich Lust habe, bestimme die Themen und habe fast nur gute Erfahrungen mit Leser_innen und Kommentator_innen gemacht. In meinem Freundeskreis und in Räumen, die ich kenne und in denen ich mich häufig bewege, fühle ich mich sicher, diskutiere viel und gern, kann meine Meinung klar artikulieren. Verlasse ich diese Bereiche, verändert sich meine komplette Haltung.

Es fängt langsam an besser zu werden: Ich habe eine unangenehme, aber wichtige und gute Eutscheidung für mein Studium getroffen. Und vor zwei Jahren hätte ich niemals beim KoK angerufen und gefragt, ob ich da was machen kann. Es nervt mich, wenn Menschen sich beim dritten mal Vorstellen nicht an mich erinnern können, es freut mich dafür, wenn ein Dozent Links, die ich ihm gebe, in die Literaturliste setzt, mein Vater wegen der KoK-Artikeln stolz auf mich ist, dass überhaupt Artikel von mir in einer Zeitschrift stehen, Blogartikel von mir verlinkt werden, Leser_innen mir danken und mit mir auf einer Ebene diskutieren. Und ich fange an zu glauben, dass ich tatsächlich gerade herausfinde, was ich kann und was ich will. Ich blogge, es macht mir Spaß und ich bekomme positives Feedback, ich schreibe fürs KoK und bekomme positives Feedback. In mein Studium kommt eine neue Perspektive, die mir gutut. Meckerer, Nörgler, Trolle und Schlaumeier werden mir egaler. Mit mir selbst zufrieden bin ich noch lange nicht, was und wo ich arbeiten möchte, weiß ich auch noch nicht. Aber bei wem ist das schon so.

Und irgendwann muss ja auch mal gut sein. Ich meine, ich habe wenig Grund mich zu beklagen. Meine finanzielle Situation ist sicher, ich habe einen guten familiären Background und auch meine Freunde sind für mich da, hören zu, geben mir Kraft oder eben auch mal nen Arschtritt. Meine Rahmenbedingungen sind super, man könnte auch sagen priviligiert. Insofern ist die Jammerei tatsächlich eher peinlich. Warum auch immer ich so viele Zweifel und Unsicherheiten haben, ich muss lernen, dass ich mir damit nur im Weg herumstehe.

Mein Vater sagte auch immer zu mir: "Hab Mut zur Lücke."