Also das hier ist vegan und feministisch. Weil sonst alles scheiße ist.

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Imagefilm im Eierregal



















Heute bin ich nach einer gefühlten Ewigkeit mal wieder im Rewe einkaufen gewesen und staunte vorm Eierregal nicht schlecht. Dort war tatsächlich ein mini Flachbildschirm angebracht, auf dem ein Eierproduzent und-lieferant seine Produkte bewarb. Ich habe mir mal die Homepage näher angesehen und die scheinen es wirklich ernst so meinen mit dem positiv-Image.

Immer wieder wird hervorgehoben, dass die Tiere ausschließlich Körnerfutter bekommen, keine tierischen Fette, Mehle oder ähnliches, sowie kein genmanipuliertes Futter. Es gibt viele Fotos von den Ställen, die die "artgerechte" Haltung demonstrieren sollen (der Hof hat 2009 sogar einen Preis für artgerechte Haltung bekommen), eine Erläuterung, warum Eier gesund seien (gute Eiweiße!) und sogar beim Abnehmen helfen können  (Eiweiße sättigen schneller als Kohlenhydrate), sowie eine Erklärung dazu, warum der Hof "nur" Bodenhaltung betreibt, anstatt Bio mit Freilandhaltung. Die Futtermischung sei dann nicht beizubehalten und die Eier würden wie andere bio-Eier fade schmecken, der hygienische Aufwand sei für Freilandhaltung zu groß. Aaaaaha. Da wird es interessant. Der Hof möchte keine Vogelgrippe oder ähnliche Seuchen in seinen Ställen haben, das wäre der finanzielle Ruin.
An dem Punkt frage ich mich natürlich, ob das nicht vielleicht eher etwas mit der Anzahl der gehaltenen Hühner, als mit der Haltung selbst zu tun hat?! 15.000 Hennen leben auf dem Hof (in einem Film des SWR heißt es, insgesamt leben dort 26.000 Hühner in verschiedenen Ställen). Da ist das mit der Hygiene natürlich schwierig.
Desweiteren brüstet man sich mit "dem größten Hühnerei der Welt". 168g wog das gute Ding, über 100g mehr, als ein Ei der Gewichtsklasseklasse "L". Und dann wird munter über das arme Huhn gescherzt, das vermutlich eine halbe Stunde mit dem Legen dieses Eis beschäftig war. Zum Einen wird gesagt, dass sei ungewöhnlich und nicht normal für ein Huhn, zum Anderen wird die Größe jedoch mit dem überdurchschnittlich gutem Futter begründet, denn wenn ein Huhn sich wohl fühlt und gutes Futter bekommt, dann legt es auch automatisch gute Eier. Äh okay. Erstens ist das natürlich Quatsch (zumindest in diesem Ausmaß) und zweitens könnte man dann fragen, warum sich den nur eine Henne einen Moment lang wohlgefühlt hat und gut genährt war.

Bitte versteht das nicht als Hetze. Das sollte hier kein skandalöser Enthüllungsskandal werden, allem Anschein nach, haben die Hühner es tatsächlich verhältnismäßig gut in diesem Betrieb. Ich kann mir sogar vorstellen, dass es in einigen bio-Betrieben schlimmer aussieht. Die üblichen ethischen und praktischen Fragen/Probleme der Eierhaltung bleiben jedoch immer noch bestehen: Die männlichen Küken werden getötet, die Schnäbel müssen in der Regel abgesengt werden, die Hühner werden lange vor ihren natürlichen Tod geschlachtet und so modern die Käfige sein mögen: artgerecht ist das nicht im geringsten, denn auch hier leben viele Hühner auf unnatürlich wenig Platz und zwar ohne Hahn, ohne Rangordnung und so weiter. Für mich sind 6.000 Hühner in einer Halle nicht normal, nicht natürlich und nicht artgerecht.

Was mich jedoch viel mehr zu diesem Posting veranlasst hat, war der Gedanke, dass wir vermutlich in einer Zeit angekommen sind, in der es für Erzeuger von Tierprodukten immer schwieriger wird den Verbraucher zu überzeugen, der Ruf und das Image sind schlecht. Skandale wie der von Wiesenhof, diverse Seuchen, Enthüllungs-Reportagen im Fernsehen und Bestseller wie die von Foer und Duve machen den Verbraucher wohl immer skeptischer.
So beginnt dieser spezielle Erzeuger jetzt damit, seine Produkte an Ort und Stelle im Supermarkt mit Film- und Tonmaterial anzupreisen. Nicht-bio-Eier haben es schwerer auf dem Markt, woher soll der Verbraucher wissen, dass es sich bei diesen Eiern nicht um Eier der gequälten Hühner, wie man sie aus dem Fernsehen kennt wissen? Der Druck auf die Produzenten wird immer größer und man versucht sich voneinander abzuheben.
Die Nachfrage nach gerechteren Optionen steigt, ich hoffe, daraus folgt irgendwann die Nachfrage nach echten, nicht nur nach scheinbaren Alternativen.

3 Kommentare:

  1. v.a. wird da ja trotzdem gesext... sprich: männliche küken kommen sofort in den schredder. da können die legehennen noch so gut gehalten werden; solange das mit dem sexen ist, sind eier tierquälerei!

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  2. Eiegentlich ein gutes Zeichen, wenn man Werbung braucht (noch dazu so krasse) um das als Praxis zu rationalisieren.

    Wenn jetzt noch die ganzen Tier-Orgas ihren Kritik-Fokus von der Art und Weise der Benutzung von Tieren hin zur Benutzung an und für sich shiften würden, werden die Filme bestimmt auch inhaltlich noch einmal um einiges absurder.

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  3. Ich hatte ein interessantes Gespräch mit einem Bauern aufm Markt bei uns in der Nähe. Der Herr ist ein so lieber Mann.
    Ich hatte mich gewundert, dass es bei ihm nur Eier aus Gruppentierhaltung gab. Also hab ich nachgefragt: Theoretisch ist es ein Konflikt zwischen Rentabilität und Moral. Er meinte, natürlich wolle er seinen Hühnern ein so angenehmes Leben bereiten, wie möglich, könne es sich aber absolut nicht leisten, wenn die Leute nicht auch bereit wären, für ein 10er-Pack 4-5 Euro zu zahlen. Da es ihn um seinen Lebensunterhalt geht, kann er ein solches Risiko nicht eingehen, wie solche neuen Mega-unsere-Hühner-sind-so-glücklich-und-die-Eier-so-gesund-wir-sind-fair-Pro-Planet-Eier die es neuerdings in unserem Markt gibt. Und selbst denen traue ich nicht ganz über den Weg. Was cool ist, ist, dass auf jeder Packung steht, von welchem Hof die Eier kommen. Weniger cool sind da aber die EU-Richtlinien für solche Eier, die die Plakette "Freilandeier" schon verleihen, wer einen Freiauslauf von gerade mal 10m² pro Halle hat. Das ist doch die schlimmste Irreführung...

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