Heute habe ich meinen ersten freien Tag seit einer gefühlten Ewigkeit. Nach dem Ende meine Prüfungen musste ich fast jeden Tag arbeiten, da einer meiner Kollegen in Portugal heiratet, einige dort hin- und andere wiederum in die Heimat gefahren sind. Da bleiben kaum Leute übrig, aber es kommt insofern ganz gelegen, da ich wohl in naher Zukunft einen neuen Laptop kaufen muss.
Wie dem auch sei, ich hatte zwar in letzter Zeit wenig Muße mein Online-Leben zu pflegen, aber ich habe ein paar Dinge gesammelt, über die ich noch schreiben möchte. Unter anderem ist mir in letzter Zeit klar geworden, warum es mir verhältnismäßig leicht fällt vegan zu leben, warum ich kaum etwas vermisse. Das ist ja doch eine recht häufig gestellte Frage. Als erstes ist eines ganz klar: Ich habe so viel über verschiedene "Produkte" gelesen, dass es mir schlicht den Appetit geraubt hat. Ich weiß jetzt was dahintersteckt, ich sehe auch viele Dinge überhaupt nicht nicht mehr als Lebensmittel an. Die Gewinnung und auch der Herstellungsprozess sind für mich nicht vereinbar sind mit dem, was Nahrung für mich bedeutet. Und von gesundheitlichen Aspekten spreche ich hier noch nicht einmal.
Aber es ist noch etwas ganz anderes, etwas von dem ich nicht gedacht hätte, dass es irgendwann mal in etwas positivem Enden würde. Ich habe hier ja schon öfter mal angesprochen, dass ich als Kind immer schlecht gegessen habe. Wirklich erinnern kann ich mich nicht mehr, aber den Erzählungen meiner Eltern zu folge habe ich mit ca. drei Jahren von einen Tag auf den anderen aufgehört die meisten Dinge zu essen, die man mir vorgesetzt hat. Von dem Tag an habe ich kaum etwas anderes gegessen als Weißbrot mit Nutella, Nudeln oder Kartoffeln mit Butter und Salz, Chicken Nuggets, Pfannkuchen, Pommes, Süßigkeiten, Gebäck, Cornflakes usw. Kein Gemüse, kein Obst, kein Salat, kein Vollkorn, keine Nüsse oder Samen. Aber eben auch selten Fleisch und niemals Eier (außer in verarbeiteten Produkten). Ich habe noch niemals einen Burger oder einen Döner gegessen. Jeweils ein mal habe ich Rührei und Spiegelei probiert und mochte es überhaupt nicht. Beim Grillen im Sommer gab es für mich Kartoffeln und Kräuterbaguette, wenn es Fast Food gab, war ich mit Pommes glücklich. Käse oder Wurst aufs Brot fand ich regelrecht eklig.
Für meine Eltern war das wirklich sehr schwierig, sie haben mit vielen Methoden versucht, mir Essen schmackhaft zu machen. Sie haben versucht mich mit Geschenken zu motivieren, wenn ich etwas bestimmtes aß. Aber es hat nicht funktioniert. Immer wieder haben sie mir Dinge vorgesetzt und gesagt, ich würde nichts anderes bekommen, bis ich nicht das Käsebrot gegessen habe. Auch das hat nicht funktioniert, teilweise habe ich vier Tage nichts gegessen bis meine Eltern dann aufgegeben haben. Früher wusste ich nicht, was das alles sollte, erst heute kann ich verstehen, warum sie so besorgt waren. Für mich war das aber immer etwas, was ich als nicht in meiner Macht gesehen habe. Ich hatte einen wirklich starken Ekel gegen die meisten Dinge. Immer wenn ich doch mal versucht habe etwas zu essen, ist mir ein kalter Schauer über den Rücken zu laufen, ich hatte das Gefühl meine Speiseröhre würde sich verengen, mein ganzer Körper hat sich dagegen gesträubt die meisten natürlichen Lebensmittel zu essen. Die meisten synthetischen Dinge waren komischerweise kein Problem. Mir war das alles recht egal, unangenehm war es immer nur, wenn ich bei Freunden oder Bekannten war. Die Leute waren zuerst schockiert und irritiert und dann meist überfordert. Die Mütter meiner Freundinnen haben sich immer unwohl gefühlt, wenn ich mit einem Stück Brot neben dem Abendessen saß, während ich immer nur wollte, dass möglichst nicht darüber geredet wird.
Als ich etwas älter wurde und vor allem als ich auszog und einen Job in einem Restaurant annahm, hat sich dann recht schnell recht viel geändert. Mir war selbst schon länger klar, dass das alles irgendwie nicht gut war. Ich habe dann einfach so angefangen viele Dinge zu probieren und auch letztlich zu mögen. Neben Obst und Gemüse gehörte dazu auch Fleisch und Fisch, was ich ganz ok fand, aber wirklich umgehauen hat es mich nicht. Stattdessen habe ich angefangen Gemüse zu mögen, Champignons zu lieben, Äpfel und Beeren statt Süßigkeiten zu essen, Salat zum Essen zu machen. Mein Freund und ich haben angefangen zusammen zu kochen, frische Lebensmittel zu verwenden und zu genießen. In der WG wurde öfter gekocht, ich habe mir angewöhnt Dinge zu probieren die ich nicht kenne, nicht mag und eigentlich auch nicht essen will, mich nicht von Aussehen, Geruch und Konsistenz abschrecken zu lassen. Jetzt umfasst mein Lebensmittelrepertoire viel mehr Dimensionen als das vieler Freundinnen und Bekannten.
Ein Grund warum ich mich vor ein paar Monaten dazu entschlossen habe vegetarisch und dann vegan zu leben war, weil mir klar wurde, dass ich gar nicht so viele Dinge streichen brauche. Mein Ekel vor Eiern und Käse war geblieben, Fleisch war mir egal. Ich denke, wenn ich gesehen hätte, wie einfach die vegane Küche und Backstube sein kann, hätte ich es schon sehr viel früher gemacht. Stattdessen habe ich lange gedacht, dass es für mich schwierig sein wird, da ich ja sowieso schon viele Dinge nicht mochte und ich mich unwohl mit dem Gedanken fühlte, noch mehr von meinem Speiseplan zu streichen. Hinzu kommt, dass ich schon seit ich zurück denken kann Müttern, Freunden und Kellnern erklären muss, was ich alles nicht essen möchte. Unangenehm war und ist es mir auch immer noch, aber gewohnt bin ich es dennoch.
Ich glaube, ich habe damit einen großen Vorteil gegenüber vielen anderen. Wenn Leute mich fragen, ob ich es nicht traurig fände wenn ich daran denke niemals wieder ein schönes Steak oder ein leckeres Käsebrot zu essen und ich dann sage "nö, mochte ich eh nie wirklich", dann muss ich immer auch ein bisschen lachen. Manchmal frage ich mich, ob das alles für mich so problemlos wäre, wenn ich ein "normaler Esser" gewesen wäre. Denn ich bin ganz froh, dass ich so wenig vermisse und das all die Dinge die ich gerne mochte entweder eh schon vegan waren oder auch ohne geschmackliche Verluste vegan zu erhalten sind. Ich hatte viel dazu gewonnen und kaum Abstriche zu machen, abgesehen vielleicht von Eiscreme. Da blutet mir manchmal das Herz, aber da wäre ich wieder beim Anfang. Ich weiß so viel über Milch, dass ich das einfach nicht essen möchte. Egal ob lecker oder nicht. Ich suche mir eben ein anderes Eis. Fertig. Obwohl es für mich so einfach war, ist doch genau das das entscheidende Argument: Ich weiß es besser. Ich weiß, was dazu gehört und ich halte es für falsch, das man sich als Mensch über andere Lebewesen erhebt, sich dieser ohne Einwilligung bedient und zur Bereicherung nutzt. Das ist das stärkste Argument für mich und deswegen macht mich auch der Satz, den wir vermutlich alle häufig hören so traurig "Puh, naja aber ohne Käse könnte ich echt nicht leben."
Doch, das kann man. Aber ohne die Milch kann das Kalb nicht leben.