Durch die
Kommentare dieses Postings von Mausflaus habe ich mir nochmal ein paar Gedanken zu dem Thema gemacht, inwiefern eine vegane Ernährung gesund oder gesünder ist als andere. Im Wesentlichen werden in den Kommentaren drei Positionen vertreten:
1. Veganismus ist ungesund, der Nährstoffbedarf kann nicht abgedeckt werden
2. Eine ausgewogene vegane Ernährung und eine ausgewogene omnivore Ernährung sind gleich/ähnlich gesund
3. Eine ausgewogene vegane Ernährung ist gesünder als eine ausgewogene omnivore Ernährung
Ich bekenne mich hier mal als Vertreterin des letzten Standpunktes. Trotzdem möchte ich betonen, dass auch ich nicht glaube, dass Veganismus ein Allheilmittel gegen alles ist. Ernährung ist ein wichtiger Faktor, meines Erachtens auch ein von der Gesellschaft vergessener oder vernachlässigter Faktor für Gesundheit, aber noch lange nicht der einzige. Und selbstverständlich gibt es auch ungesunde Lebensmittel, die vegan sind. Oder vegane Lebensmittel, die bei massiven Verzehr gesundheitlich bedenklich werden. Und auch Veganer haben Bürojobs mit wenige Bewegung, rauchen vielleicht, treiben keinen Sport oder ähnliches.
Ich bin zuerst einmal davon überzeugt, dass viele Dinge, die der Mensch heute isst, eigentlich überhaupt keine Lebensmittel sind. Meine Meinung ist zugegeben eine sehr, aber nicht ausschließlich philosophische, ich erkläre einfach mal schnell, wie es bei mir zu dieser Meinung gekommen ist. Ich habe mich etappenweise mit verschiedenen Themen auseinandergesetzt:
1. Tiere - wie werden sie behandelt und betrachtet usw.
2. Globale Folgen - Welthunger, Überfischung, Abholzung, CO2-Ausstoß, Monokulturen usw.
3. Gesundheit - Was braucht der Mensch, wo steckt was drin, was ist wie verwertbar, mögliche Mängel verschiedener Ernährungstypen. usw.
Bei den ersten beiden Punkten war es ganz klar, die vegane Lösung ist die bessere. Bei dem Thema Gesundheit wurde es schwieriger, denn es gibt ungefähr so viele Meinungen, wie es auch Ernährungswissenschaftler oder zumindest Strömungen derselben Wissenschaft gibt. Die Vitamine B12 und D sind problematisch, allerdings heutzutage auch für Omnivoren. Da ist man sich ziemlich einig. Dann sehen einige noch ein Problem bei Zink, bei Folsäure oder bei Eisen etc. Jeder scheint da so seine eigene Sorge zu haben, insgesamt kommt mir das nicht besonders homogen oder irgendwie zuverlässig vor. Also habe ich mir die
China Studie von Colin Campbell besorgt. Das Buch hat leider den Nachteil für Veganer so etwas wie das heilige Buch zu sein, hat aber wiederum den Vorteil, dass es so überdurchschnittlich umfangreich ist. Campbell beschreibt seine eigenen Studien, aber auch die von Medizinern wie
Caldwell Esselstyn,
Dean Ornish und vielen weiteren Ärzten und Ernährungswissenschaftlern die mit Erfolg ihre Patienten oder Schulspeisungen auf eine (teilweise vollständig, teilweise fast) vegane Ernährung umstellen. Campell geht auf viele verschiedene Krankheitsbilder ein, zeigt wie sie zu Stande kommen und wie sie geheilt werden können. Er zitiert viele Studien, Mediziner und Patienten. Er gibt auch Beispiele für Augänge von Studien, je nachdem wer sie finanziert hat usw. Ich würde das gerne ausführlicher erläutern, aber leider liegt das Buch gerade bei meiner Schwester und der Text ist eh schon viel länger als geplant.
Hierbei muss man natürlich beachten, dass viele Menschen ihre Ernährung von omnivor und sehr unausgewogen auf streng vegan, kontrolliert und ausgewogen umgestellt haben. Da ist es natürlich, dass eine Besserung eintritt. Aber durch die zahlreichen Beispiele, wie sich insbesondere tierische Eiweiße (z.B. Kasein in Milch) auf den Körper auswirken, ist mir wirklich das letzte Bisschen Zweifel an der veganen Lebensform genommen worden. Es gibt viele Krankheiten, die bei in ländlichen Gebieten lebenden Chinesen so gut wie gar nicht vorkommen, in Europa, den Staaten und Australien dafür umso mehr. Betroffen sind nicht immer nur die ganz extrem umgesunden, sondern auch die ganz normalen Esser.
Ich kenne auf Anhieb fünf Menschen mit Herzinfarkt(en), zwei mit Diabetes, viele mit Osteoporose oder Gicht und bestimmt ein Dutzend mit verschiedenen Krebsarten. Das ist und bleibt überdurchschnittlich viel, verglichen mit anderen Ländern. Besonders interessant fand ich die "Migrantenstudien", in denen in Amerika lebende Chinesen in verschiedenen Generationen untersucht wurden. Immer mehr haben sie sich von der landestypischen Küche entfernt, in der vierten oder fünften Generation war praktisch kein Unterschied zu einem "normalen" Amerikaner zu erkennen. Und der Gesundheitszustand ist proportional schlechter geworden.
Worauf ich nun eigentlich hinauswollte: Das wichtigste für mich am Veganismus ist die Vermeidung von Leid, das bleibt klar Priorität. Ich hätte das aber nie konsequent gemacht, wenn ich dadurch einen gesundheitlichen Nachteil gehabt hätte, da ich dann einen kleinen Anteil an tierischen Produkten als für den Menschen notwendig und das Vorenthalten meinem Körper gegenüber als respektlos betrachtet hätte. Ähnlich dem "Aber ein Löwe muss ja auch töten um zu leben"-Argument. Es ist aber das Gegenteil passiert, ich glaube, dass tierische Produkte insgesamt mehr Schaden anrichten als dass sie Gutes tun. Damit meine ich nicht, dass man sofort tot umfällt, wenn man mal ein Brathähnchen isst. Ich vergleiche das gerne mit dem Rauchen. Sicher lebt jemand, der nur gelegentlich bzw. sehr selten raucht nicht viel ungesünder als jemand der gar nicht raucht. Aber besser wäre es, wenn er es gleich ganz sein ließe.
Was ich meine, wenn ich sage, dass einige Dinge keine Nahrungsmittel für Menschen sind (die ethische Komponente mal ganz außen vor gelassen), ist folgendes: Ich bin davon überzeugt, dass man Nahrungsmittel ganzheitlich betrachten muss. Die Natur ist ein äußerst komplexes, aber ziemlich perfektes System. Dürre Wüsten sind genau so wichtig wie fruchtbare Regenwälder und tiefe Ozeane, aus Zerstörung folgt etwas Neues usw. Es kann unmöglich etwas für den einzelnen Menschen gut sein, wenn es für alles um ihn herum schlecht ist. Sicher würde gemäßigter Konsum von tierischen Produkten weniger Schaden anrichten, aber es wäre immer noch mehr Schaden, als würde man den Konsum ganz einfach auf null senken. Sowohl für Mensch, Tier und Umwelt. Es ist einfach vermeidbar.
Die hauptsächlich durch die Industrialisierung verursachten potentiellen Mängel müssen wir (leider) mit unseren heutigen Methoden ausgleichen. Ich finde es wichtig sich regelmäßig durchchecken zu lassen, das sollte jeder tun. Ich bin auch dafür, gegebenenfalls zu supplementieren. Ich bin aber definitiv nicht der Meinung, dass nur weil Menschen wissen (oder glauben zu wissen) wovon sie wie viel brauchen, das automatisch bedeutet, dass man seine Mahlzeiten mit einem Nähstoffrechner zusammensetzen sollte. Ausgewogen und abwechslungsreich, dann ist man auf der sicheren Seite und kann sich auch mal ein Stück Torte erlauben. (Oder auch mal zwei.)